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BNN Artikel zum Unfall Nürnberger Straße

(aus BNN 22.01.08)

Spitzengespräch nach schwerem Unfall

Debatte über mehr Sicherheit an der Kreuzung beim Dammerstock flammt neu auf

Von unserem Redaktionsmitglied Kirsten Etzold

Risikofaktor Bahn: Bei Kollisionen mit Stadt- und Straßenbahnen in Karlsruhe erleiden Unfallopfer oft schwere Verletzungen. Nach dem jüngsten Unfall einer Radlerin, die an der Haltestelle Dammerstock von einer einfahrenden Stadtbahn mitgeschleift, eingeklemmt und lebensgefährlich verletzt wurde (die BNN berichteten), fordern der Bürgerverein Weiherfeld-Dammerstock und die SPD- Gemeinderatsfraktion schnelle neue Sicherheitsvorkehrungen. Die Verantwortlichen in der Stadtverwaltung und bei der Albtal-Verkehrsgesellschaft (AVG) wollen in einem Spitzengespräch wirksame Abhilfe suchen,. (Siehe auch Unfall-Chronik und „Volles Risiko".)

„Der neuerliche Unfall macht auch uns betroffen", unterstrich gestern Martin Kirsch, Leiter des Tiefbauamts der Stadt Karlsruhe. Die Einmündung der Nürnberger Straße in die Herrenalber Straße mit der Stadtbahnhaltestelle Dammerstock sei eine „innerstädtische komplizierte Kreuzung", an der „alles zusammenkommt", so Kirsch: Radfahrer, Fußgänger, hohes Verkehrsaufkommen und das „Konfliktpotenzial" der Bahn. „Wenn etwas geschieht, sind die Folgen schwerwiegend", sagte der Amtsleiter.

Problematisch bei der Suche nach Abhilfe sei, dass sich bisher kein typischer Unfallverlauf abzeichne. „Die Not ist unstreitig", so Kirsch. Obwohl die derzeitige Gestaltung der Kreuzung dem geltenden Regelwerk entspreche, müssten Maßnahmen zu größerer Sicherheit gefunden und finanziert werden.

Ein „offensives Angehen" kündigte gestern auch Walter Casazza, Chef der zuständigen AVG, auf Anfrage der BNN an. Das „heftige und äußerst bedauerliche Unglück" sei Anlass, die Sicherheitsfrage mit Tiefbauamt und Amt für Bürgerservice und Sicherheit nochmals zu beratschlagen. Auch Schranken seien eine Möglichkeit, die geprüft werden müsse. Das Unfallopfer sei offenbar hinter einer Richtung Stadtmitte abfahrenden Bahn auf die Schienen gerollt, wo die Radfahrerin dann vor eine stadtauswärts fahrende Stadtbahn geriet. Die SPD-Fraktion fordert in einem Antrag an die Stadtverwaltung unter anderem, über eine Halbschranke nachzudenken. Der Bürgerverein beantragt, die geplante neue Ampelanlage für die Kreuzung schnell zu installieren.

„Ohne einen Umbau der Kreuzung wird es schwer sein, eine Verbesserung zu erzielen", sagte Casazza. Routinemäßiges Klingeln, wie an Fuß- und Radwegüberquerungen praktiziert, helfe an Autokreuzungen ebenso wenig wie eine Temporeduzierung: „Eine langsamer fahrende Bahn hätte diesen Unfall nicht verhindert." Casazza schlägt vor, Elemente aus den schon vorliegenden Plänen zum Umbau der Herrenalber Straße vorzuziehen.

Die Zahl der Unfälle mit Bahnen im Stadtgebiet ist laut Polizei im vergangenen Jahr deutlich gesunken. Vor allem gab es im vergangenen Jahr keinen tödlichen Bahnunfall. 2006 starben drei Menschen durch Zusammenprall mit einer Bahn. 118 Unfälle mit Bahnen, bei denen Menschen verletzt wurden, registriert die vorläufige Polizeistatistik für 2007, im Jahr davor waren es 143 Unfälle. 2005 wurden 146 Bahnunfälle mit Verletzten gezählt.

Von zwölf Fällen im Jahr 2006 auf 19 Fälle im Jahr 2007 gestiegen ist allerdings die Zahl der Bahn-Kollisionen mit schwer verletzten Opfern, so die vorläufigen Zahlen. In diese Kategorie fallen lebensgefährlich verletzte Menschen ebenso wie Unfallopfer, die lediglich einen Tag zur Beobachtung im Krankenhaus bleiben mussten.

Unfall-Chronik

Bei Kollisionen mit Stadt- und Straßenbahnen werden in Karlsruhe immer wieder Menschen verletzt. Besonders schwer trifft es meistens Fußgänger und Radfahrer. Das zeigt auch das zurückliegende Halbjahr.

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15. Januar 2008: Lebensgefährlich verletzt wird eine 49 Jahre alte Radfahrerin, die an der Haltstelle Dammerstock vor eine einfahrende Stadtbahn rollt.

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2. Dezember 2007: Eine 20-Jährige übersieht am Haltepunkt Strackstraße eine ankommende Stadtbahn. Beim Zusammenstoß erleidet die Frau mehrere Rippenbrüche.

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13. Novgmber 2007: Am Ettlinger Tor wird eine 46 Jahre alte Fußgängerin von einer Stadtbahn am Kopf erfasst, weggeschleudert und mit viel Glück nur leicht verletzt.

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22. September 2007: Ein 18-Jähriger wird an der Haltestelle Lilienthalstraße lebensgefährlich verletzt, als er unter eine anfahrende Straßenbahn rutscht.

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17. September 2007: Ein 15-jähriger Radler bleibt am Haltepunkt Mühlburger Feld mit dem Lenker an einer Straßenbahntür hängen. Der Schüler verletzt sich nur leicht.

bullet15. August 2007: Ein 46 Jahre alter Radfahrer will am Entenfang die Gleise in der Mitte der Rheinstraße überqueren, wird von einer Straßenbahn zu Boden geschleudert. und verletzt ins Krankenhaus gebracht. ke

 

Volles Risiko - Kommentar

Stadt- und Straßenbahnen sind die bei weitem größten und am wenigsten flexiblen Teilnehmer am Stadtverkehr. Obwohl sie berechenbarer sind als Autos, selten überraschend bremsen und beschleunigen und bekanntlich stets dem gut erkennbaren Schienenstrang folgen, begleitet Bahnen große Unfallgefahr, nicht nur, wenn sie mit hohen Geschwindigkeiten fahren. Wer ihren Weg unüberlegt oder regelwidrig kreuzt, geht volles Risiko ein, mit der Folge größter Gefahr für Leib und Leben. Jeder Unfall eines Fußgängers oder Radfahrers mit einem Schienenfahrzeug wie jüngst an der Haltestelle Dammerstock ist einer zu viel - aber nicht jeder Unfall lässt sich durch kluge Vorkehrungen verhindern.
Die Fahrerinnen und Fahrer der Bahnen sind in dieser Hinsicht zu bedauern. Sie können ein Lied davon singen, wie oft jemand durch falsches Verhalten am Gleis ein schreckliches Unfallrisiko auf sich nimmt. Zeugen sind auch die Passagiere, die jene ungezählten „Beinahe-Unfälle" beobachten, all die Fahrgäste, die bei Notbremsungen schreckstarr auf einen dumpfen Knall gewartet haben, während das Alarmsignal schrillte und die Räder über die sandbedeckte Schiene kreischten.
Sinnvoll gestaltete Gleisüberquerungen, Ampeln und Warnsignale können aber helfen, menschliches Fehlverhalten zu verringern, so weit Unaufmerksamkeit, mangelnde Ortskenntnis oder Leichtsinn im Spiel sind. Daher sind die aktuellen Forderungen an einen Umbau des Unfallorts am Dammerstock berechtigt - damit das Risiko am Gleis so klein gehalten wird wie möglich. Kirsten Etzold