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Pressestimmen zur BV

Aus BNN, 18.07.2002

 

Bürgerverein Weiherfeld-Dammerstock berief Versammlung ein

Wo sollen die Leute demnächst einkaufen?

Politiker gegen Dauerfinanzierung von CAP-Markt / Konzerne wollen mehr Fläche

Von unserem Redaktionsmitglied Sibylle Orgeldinger

 

Draußen regnete es in Strömen, und drinnen im voll besetzten Saal von St. Franziskus fühlten sich die Bürger von Weiherfeld-Dammer­stock „im Regen stehen gelassen“, wie Bürger­vereinsvorsitzender Professor Dr. Lothar Wer­ner sagte. „Wo können wir hier noch einkau­fen?“ Diese Frage richtete die Bürgerversamm­lung am Dienstagabend an Politik, Verwaltung und Wirtschaft. Eine Antwort erhielt sie nicht.

Die Entwicklung der Lebensmittelversor­gung im Stadtteil stellte Werner als „einzigen Leidensweg“ dar: In Weiherfeld gab die Rewe-­Gruppe im Dezember vergangenen Jahres den Penny-Markt in der Tauberstraße auf; der Pen­ny in der Nürnberger Straße von Dammerstock soll Ende dieses Jahres geschlossen werden. Wie Baubürgermeisterin Heinke Salisch er­klärte, existieren ein „vorhabenbezogener Er­schließungsplan“ und Pläne für den Neubau ei­nes Marktes in der Nürnberger Straße beim Trafohäuschen. Als Betreiber war ursprünglich die Rewe-Gruppe vorgesehen, doch dieser ist die Fläche mit 524 Quadratmetern zu klein. Sa­lisch versicherte den Einwohnern von Weiher­feld-Dammerstock ihre Sympathie: „Was ich vom Bauen her für. Sie tun kann, das habe ich getan. Einen Betreiber habe ich leider nicht.“

Einen Betreiber hoffte der Bürgerverein ge­funden zu haben: Die HWK-Hagsfelder Werk­stätten und Wohngemeinschaften Karlsruhe gGmbH - wäre interessiert, in dem Neubau ei­nen Markt nach dem CAP-Konzept mit Behin­derten anzusiedeln  „Ein „solches Projekt wäre nicht nur wirtschaftspolitisch, sondern auch gesellschaftspolitisch bedeutsam“, erklärte der Bürgervereinsvorsitzende. Alle CAP-Märkte in Baden-Württemberg laufen als eine Filiale von Spar, kaufen ihre Artikel bei diesem Unterneh­men günstig ein und laufen wirtschaftlich. Doch in Dammerstock könnte CAP die für den Neubau erwartete Jahresmiete von 80000 bis 90000 Euro nicht erwirtschaften, sondern al­lenfalls 38000 Euro, wie HWK-Geschäftsführer Norbert van Eickels darlegte. CAP brauche daher nicht nur, wie sonst üblich, eine An­schubfinanzierung, sondern eine Dauersub­ventionierung. Dies habe die Stadt abgelehnt.

Eine Dauerfinanzierung sei nicht machbar, erklärte Stadtrat Detlef Wilser von der FDP/ Aufbruch-Fraktion, lediglich eine Anschubfi­nanzierung. „Sonst kommen andere Stadtteile und wollen das Gleiche.“ Auch KAL-Stadtrat Dr. Eberhard Fischer kann sich eine Dauerfi­nanzierung nach eigenem Bekunden nicht vor­stellen. CDU-Stadtrat Thorsten Schmidt forderte die Konzerne zum Umdenken auf: „Wenn sie in einer Stadt ein großes Stück bekommen, müssten sie auch vier oder fünf kleinere Märkte betreiben.“ Nach Einschätzung des Presserefe­renten der Karlsruher SPD, Hans Spielmann, würde sich in Weiherfeld-Dammerstock ein kleinerer Markt wirklich lohnen. „Die Leute gehen hier einkaufen.“

Für das Unternehmen Lidl sei der Stadtteil mit seinen 6 500 Einwohnern durchaus interes­sant, erklärte Lidl-Immobilienleiter Rabener. Tausend Quadratmeter Verkaufsfläche seien allerdings unbedingt erforderlich. Der Direk­tor der Wirtschaftsförderung Karlsruhe, Dr. Horst Zajonc, regte die Suche nach einer neuen Lösung an - „irgendwo zwischen Tankstelle ohne Zapfsäule und Lieferung nach Hause.“

 

Wachsendes Problem

 

Das Problem ist nicht beschränkt auf Wei­herfeld-Dammerstock, es ist nicht beschränkt auf Karlsruhe: In ganz Deutschland klagen Menschen darüber, dass ihnen Lebensmittelge­schäfte in Wohnungsnähe fehlen. Die Einzel­handelskonzerne trennen sich von den für sie unrentablen kleinen Läden und investieren in Märkte mit großer Verkaufsfläche und entspre­chendem Parkplatzangebot.

Doch Weiherfeld-Dammerstock ist, wie der für Stadtforschung zuständige Otto Mansdör­fer vom Amt für Stadtentwicklung bei der Bür­gerversammlung ausführte, von der Bevölke­rungsstruktur her typisch für einen Stadtteil, der unter der Entwicklung besonders zu leiden hat: Weiherfeld-Dammerstock hat in Karlsru­he den höchsten Anteil von Einwohnern über 65 Jahren, aber auch -eine Anzahl von jungen Familien mit Kindern. Das sind die Menschen, die häufig über kein Auto verfügen und Wert auf zu Fuß erreichbare Läden legen.

Ein Blick auf die demographische Entwick­lung zeigt: Der Anteil der älteren und damit weniger mobilen Menschen wird auch in ande­ren Stadtteilen steigen, das Problem der Lebensmittelunterversorgung wird mithin wach­sen. Zum Internet haben nicht alle Betroffenen Zugang, und für viele heißt Einkaufen eben nicht nur, den täglichen Bedarf zu decken, son­dern auch, Nachbarn und Bekannte zu treffen.

Was tun? Die Lebensmittelkonzerne müssen rechnen; ein Prozent Gewinn ist in der Branche schon viel. Die Stadt aber kann Läden nicht, auf Dauer subventionieren. Anschubfinanzierungen aber wären denkbar. Nun ist Flexibili­tät bei allen Beteiligten und eine Kombination von Konzepten gefordert. Die eine, endgültige, allumfassende Lösung, die gibt es nämlich nicht.      Sibylle Orgeldinger

 

Aus BNN, 19.07.2002

Versorgungsprobleme: Förderverein geplant

BNN - Angesichts der Probleme mit der Lebensmittelversorgung in WeiherfeldDammerstock plant der Bürgerverein des Stadtteils nun die Einrichtung eines gemeinnützigen Fördervereins. Wie Bürgervereinsvorsitzender Professor Dr. Lothar Werner mitteilt, soll der Verein Spenden sammeln, um die Finanzierungslücke zwischen dem möglichen Eigenaufkommen eines CAP-Marktes und den beim Neubau in der Nürnberger Straße insgesamt anfallenden Mietkosten zu schließen.
Die Einrichtung des Fördervereins nach dem enttäuschenden Ergebnis der Bürgerversammlung am Dienstag (die BNN berichteten) sei Ausdruck eines hohen Bürgerschaftsengagements, aber zugleich die „endgültige Bankrotterklärung" einer Wirtschaftspolitik auf dem Gebiet der Vor-Ort-Versorgung, schreibt Werner.

 

Aus Amtsblatt Nr.30 vom 26.07.02

Wo gibt es Lebensmittel?

Dammerstock fürchtet die Versorgungskatastrophe

 

„Über eine rege Beteiligung freuen wir uns", stand auf der Einladung des Bürgervereins zur Bürgerversammlung. Die Einwohnerinnen und Einwohner des Stadtteils Weiherfeld-Dammerstock nahmen das offenbar sehr ernst: Brechend voll war der große Saal von St. Franziskus, in dem vergangene Woche Politiker mit den Bürgern über das Thema „Wo können wir denn hier einkaufen?" diskutierten. Nach Schließung des Penny-Marktes der Rewe-Gruppe in der Tauberstraße im vergangenen Jahr, gibt Ende dieses Jahres auch der Penny-Markt in der Nürnberger Straße auf. Für Dammerstock, das von allen Stadt= teilen den höchsten Anteil an Senioren hat, ein harter Schlag.

„Wir vom Baudezernat haben alles versucht", erklärte Bürgermeisterin Heinke Salisch, die sich des Problems engagiert angenommen hatte. Mehrere Plätze seien auf Neubaumöglichkeiten untersucht worden und mit der Volkswohnung sowie mit Rewe habe die Stadt verhandelt. Ohne Erfolg. „Die Schließung kleiner Lebensmittelgeschäfte ist ein bundesweites Phänomen", meinte Dr. Horst Zajonc, Leiter der Wirtschaftsförderung.

Das Problem sei, wie einige Stadträte sagten, dass sich Einkaufsmärkte mit weniger als 1000 Quadratmetern nicht mehr zufrieden geben. „Zusammen mit den Nebenräumen brauchen wir mindestens 1200 Quadratmeter um überlebensfähig zu sein", so Lidl-Immobilienleiter Rabener, der sich dennoch als Betreiber interessiert zeigte und mit der Stadt im Gespräch bleibt. „Wir hätten einen Betreiber, der

auch in eine kleinere Verkaufsfläche einziehen würde, wenn die Stadt mitmacht", wandte Dr. Lothar Werner, Vorsitzender des Bürgervereins, ein: Mit einem von der Genossenschaft der Werkstätten für Behinderte betriebenen CAP-Markt käme die Stadt auch ihrer sozialpolitischen Verpflichtung nach. „Wir würden auch mit 500 Quadratmetern zurecht kommen, weil wir ein gemeinnütziger Verein sind", stimmte Norbert van Eickels, Geschäftsführer der Hagsfelder Werkstätten, zu.

CAP-Märkte, von denen es bisher acht in Baden-Württemberg gibt, sind Vollsortimentgeschäfte. Hauptlieferant ist die Firma Spar, die die Märkte als Filialkette behandelt. Mitarbeiter sind überwiegend Behinderte, die durch ihre Arbeit im Geschäft gleichzeitig höhere Integrationschancen haben. In der Regel erhalten CAP-Märkte eine Anschubfinanzierung.

Für den geplanten Neubau in der Nürnberger Straße wäre aber aufgrund der hohen Miete eine Dauersubventionierung notwendig. FDP/Aufbruch-Stadtrat Detlef Wilser kann sich die Dauerfinanzierung eines CAP-Marktes nicht vorstellen: „Sonst könnten alle Stadtteile kommen und das Gleiche verlangen." Einen konkreten Lösungsvorschlag machte Dr. Horst Zajonc von der Wirtschaftförderung: „Ob vielleicht der Penny-Markt, der bald schließt, als CAP-Markt weiterlaufen kann, ist noch nicht ausdiskutiert." Dr. Lothar Werner schloss die Bürgerversammlung mit der Forderung an die Stadt, in Zukunft einen kostenlosen Einkaufs-Shuttle zur Verfügung zu stellen. -sub-